Wenn Privatpersonen oder Unternehmen einen Kredit aufnehmen wollen, möchten Kapitalgeber vorab das Kreditausfallrisiko zu ermitteln. Eine wichtige Kennzahl dabei ist der Verschuldungsgrad. Mit einem hohen Verschuldungsgrad steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass das Geld nicht zurückgezahlt werden kann. Die Kennzahl kommt allerdings nicht nur bei der Kreditvergabe, sondern z. B. auch bei Aktieninvestments an der Börse zum Einsatz.

Wir erklären, was man unter dem Verschuldungsgrad versteht, wie er berechnet wird und welche Aussagen sich damit treffen lassen.

Der Verschuldungsgrad beschreibt das Verhältnis von Eigenkapital zu Fremdkapital bei einer Privatperson oder einem Unternehmen. Aber was bedeutet das genau? Die Bilanzkennzahl wird in der Betriebswirtschaft genutzt, um eine Aussage über den finanziellen Spielraum und die Stabilität von Unternehmen und privaten Personen treffen zu können. Sie gibt – der Name lässt es vermuten – die Höhe von deren Verschuldung an und ist neben der Eigenkapitalquote und der Fremdkapitalquote eine weitere informative Kennzahl zur Kapital- und Finanzierungsstruktur.

Hin und wieder liest man auch von den praktisch gleichbedeutenden, englischen Begriffen Gearing, Debt to Equity oder Leverage Ratio. Vereinfacht lässt sich festhalten, je höher der Verschuldungsgrad eines Unternehmens oder einer Privatperson, desto mehr Schulden sind gegenüber den Gläubigern vorhanden – was wiederum die Abhängigkeit gegenüber ebendiesen erhöht. Relevant wird der Verschuldungsgrad vor allem für Kapitalgeber bei der Vergabe von Krediten.

Anwendungsmöglichkeiten des Verschuldungsgrades

Der Verschuldungsgrad kann als Bilanzkennzahl nicht nur für Unternehmen genutzt werden, sondern findet auch Anwendung in folgenden Situationen:

 

  • Kreditgebende: Mit Hilfe der Berechnung des Verschuldungsgrades können Kapitalgeber einschätzen, wie hoch das Ausfallrisiko für einen gewährten Kredit wäre und die Kreditzinsen daran orientieren und ausrichten.
  • Aktionäre: Als Anleger erkennst Du anhand des Verschuldungsgrades eines Unternehmens, ob die Verbindlichkeiten mit Eigenkapital abgedeckt werden. Je höher der Verschuldungsgrad, desto riskanter ist die Anlage, da Insolvenz, ausfallende Dividendenzahlungen oder sinkende Aktienkurse drohen.

 

  • Firmenübernahmen: Der Verschuldungsgrad eines Unternehmens kann vor Investitionen in dieses auch dazu genutzt werden, um herauszufinden, wie hoch der Unternehmenswert geschätzt werden kann und ob und wie stark es fremdfinanziert ist.
  • Staaten: Für Privatpersonen weniger relevant, trotzdem gut zu wissen: Staaten sind für gewöhnlich gesetzlich verpflichtet, sich nicht über eine gewisse Höhe hinaus zu verschulden. Im Europäischen Wirtschaftsraum zum Beispiel ist nur eine maximale Schuldenquote von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts möglich.

Berechnung des Verschuldungsgrades

Die Berechnung des Verschuldungsgrades – auch statischer Verschuldungsgrad genannt – ist nicht sehr kompliziert. Die gängigste Formel betrachtet dafür das Fremdkapital- und Eigenkapitalverhältnis. Teile dafür einfach das Fremdkapital (die Verbindlichkeiten) durch das Eigenkapital und multipliziere den Wert mit 100, um die Kennzahl in Prozent angeben zu können. Es ergibt sich also folgende Formel:

Verschuldungsgrad = (Fremdkapital/Eigenkapital) * 100

Wie sich der Verschuldungsgrad mit dieser Formel berechnet, lässt sich am besten anhand eines Beispiels verstehen:

Angenommen eine Firma besitzt laut Jahresabschlussanalyse Eigenkapital in Höhe von 10.000 Euro. Dem gegenüber stehen Schulden oder Verbindlichkeiten von 5.000 Euro bei den Gläubigern – das ist das Fremdkapital. Setzt man dieses Verhältnis in die Formel, ergibt sich:

Verschuldungsgrad = (5.000 / 10.000) * 100 = 50 %

Der Verschuldungsgrad der Firma beträgt in diesem Jahr also 50 %. Das heißt, jeder Euro, den die Firma besitzt, besteht zu 50 % aus Eigenkapital und zu 50 % aus Fremdkapital.

Statischer Verschuldungsgrad vs. Dynamischer Verschuldungsgrad

Die bisher beschriebene Kennzahl stellt den sogenannten statischen Verschuldungsgrad dar, da diese zwei Bilanzwerte an einem bestimmten Stichtag ins Verhältnis setzt.

Möchtest Du herausfinden, in wie vielen Jahren Du das erworbene Fremdkapital zurückzahlen kannst, dann ermittelst Du den dynamischen Verschuldungsgrad. Bei diesem wird das Fremdkapital nicht dem Eigenkapital, sondern dem Cashflow (auch Überschuss genannt) gegenübergestellt und in Jahren angegeben. Der Cashflow gibt als Mittelzufluss an, wie viel Geld ein Unternehmen erwirtschaften kann. So kannst Du über den dynamischen Verschuldungsgrad bestimmen, wie lange es dauern wird, bis das Fremdkapital (also die Verschuldung) durch den erwirtschafteten Cashflow zurückgeführt werden kann. Gerade für kreditgebende Banken ist diese Bilanzkennzahl wichtig, um mögliche Finanzierungsprobleme bei Privatpersonen oder Unternehmen vorab erkennen zu können.

Der dynamische Verschuldungsgrad errechnet sich mit dieser Formel:

Dynamischer Verschuldungsgrad = Fremdkapital/Cashflow

Übrigens: Ein dynamischer Verschuldungsgrad gilt als annehmbar bei einer maximalen Tilgungsdauer des Fremdkapitals durch den Cashflow von drei Jahren. Das bedeutet für die Praxis, dass Dein Unternehmen dauerhaft so viel erwirtschaften muss, dass die Schulden durch die entstehenden Gewinne abgezahlt werden können – weitere Investitionen oder neue Schulden bereits integriert.

Optimaler Verschuldungsgrad: Diesen Richtwert solltest Du beachten

Natürlich ist es nur schwer möglich, einen optimalen Verschuldungsgrad für jedes Unternehmen festzulegen, da dies von verschiedenen Kennzahlen und Faktoren abhängt. Zur allgemeinen Bewertung des Verschuldungsgrades wird aber gemeinhin die 2:1 Formel genutzt.

Diese besagt, dass die Schulden oder das Fremdkapital maximal doppelt so hoch wie das Eigenkapital sein sollten, um ein Unternehmen nachhaltig führen zu können (der Verschuldungsgrad wäre dann bei 200 Prozent). Daraus resultierend sollte die Fremdkapitalquote in der Bilanz nicht mehr als 67 Prozent vom Gesamtkapital ausmachen. Andersherum formuliert, ist der Verschuldungsgrad noch verhältnismäßig, wenn ein Unternehmen rund 33 Prozent Eigenkapital besitzt.

Als gängige Regel gilt außerdem, dass die Kapitalkosten gegenüber Finanzierungsalternativen geringer sein sollten (Leverage-Effekt). Ein optimaler Verschuldungsgrad wird dann angenommen, wenn die Eigenkapitalrentabilität trotz steigender Fremdkapitalquote steigt.

Hinweis: Es gibt auch Unternehmen, die trotz deutlich höherer Verschuldung als finanziell gesund gelten – bei Banken und Versicherungen beobachtet man oft das Phänomen von Verschuldungsquoten bis zu 1.000 Prozent.

Negativer Verschuldungsgrad

Hin und wieder stolpert man auch über den Begriff „negativer Verschuldungsgrad“. Dieser kann in der Berechnung der Bilanz nur dann entstehen, wenn das Eigenkapital eines Unternehmens negativ ist.

Ein negatives Eigenkapital ist natürlicherweise kein gutes Zeichen und meist ein Indiz für eine Überschuldung des Unternehmens. Kann diese Überschuldung nicht unmittelbar ausgeglichen werden, ist eine Insolvenz des Unternehmens zu befürchten.

Der Verschuldungsgrad: Interpretation bei der Kreditvergabe

Kreditgeber können anhand des Verschuldungsgrades von Personen oder Unternehmen einschätzen, ob ein „angemessenes Eigenkapital“ vorhanden ist. Eine hohe Fremdkapitalquote ist gleichbedeutend mit einem höheren Ausfallrisiko für einen gewährten Kredit. Daran wird zum Beispiel gern die Höhe der Kreditzinsen angepasst. Ein hoher Verschuldungsgrad würde für die Kapitalgebenden ein höheres Risiko bedeuten, welches entweder mit einer Absage der finanziellen Unterstützung oder mit einem Zinsaufschlag quittiert wird.

Neben Gläubigern nutzen auch Ratingagenturen den Verschuldungsgrad und die Fremdkapitalquote zur Beurteilung der Bonität eines Unternehmens. Dabei wird davon ausgegangen, dass eine hohe Verschuldung für ein erhöhtes Risiko einer Insolvenz und damit eine schlechte Bonität spricht.

Gute Kreditkonditionen bei geringem Fremdkapital?

Für kleine Unternehmen und Privatpersonen ist es durchaus sinnvoll, den statischen Verschuldungsgrad möglichst niedrig zu halten und auf diese Weise bei der Kreditaufnahme von besseren Konditionen zu profitieren. Des Weiteren können Investitionen bei einer hohen Eigenkapitalquote im besten Falle sogar ohne Kapitalgeber nur über das Eigenkapital bewerkstelligt werden. Investitionen ohne Fremdkapitalanteil können deutlich schneller abgeschlossen werden und das Insolvenzrisiko bleibt gering.

Reduzierung des Verschuldungsgrads

Soll ein hoher statischer Verschuldungsgrad möglichst umgehend reduziert werden, haben Unternehmen verschiedene Möglichkeiten der schnellen Schuldentilgung:

  • Direkte Schuldentilgung bei Kreditinstituten oder anderen Gläubigern: Durch möglichst zügige Überweisung der Überschüsse an die Kapitalgeber werden Schulden auf direktestem Wege beglichen.
  • Aktien verkaufen: Das Eigenkapital kann erhöht werden durch die Herausgabe von Aktien an die Öffentlichkeit. Damit lassen sich bestehende Schulden
  • Höhere Gewinne erwirtschaften: Eine Ankurbelung des Cashflows kann durch das Erarbeiten einer Strategie zur Gewinnsteigerung erzielt werden, um Verbindlichkeiten zu begleichen.
  • Erhöhen des Eigenkapitals durch Gewinnrücklagen: Erzielte Gewinne werden dabei systematisch für eine Eigenkapitalerhöhung genutzt.
  • Umwandeln von Verbindlichkeiten: Ein Unternehmen kann mit seinen Gläubigern aushandeln, bestehende Schulden gegen Aktien des Unternehmens zu
  • Erhöhen des Eigenkapitals durch Factoring: Das Unternehmen überträgt ausstehende Rechnungen an ein zweites Unternehmen. Dieses begleicht die Rechnungen umgehend und kümmert sich anschließend selbst um das Ausgleichen der offenen Rechnungen.
  • Betriebskosten reduzieren: Schulden lassen sich schneller decken, wenn zusätzliche Geldmittel durch das Identifizieren und Auflösen von Betriebsineffizienzen erzielt werden können

Fazit: Der Verschuldungsgrad hat als Indikator Vor- und Nachteile

Die Bilanzkennzahl des Verschuldungsgrades zu nutzen ist von Vorteil, da es für Unternehmen eine bequeme und unmittelbare Art ist, die Verschuldung zu kontrollieren, den zukünftigen Cashflow besser vorherzusehen und den finanziellen Hebel zu beaufsichtigen. Auch für Kreditinstitute ist der statische und dynamische Verschuldungsgrad die direkteste Kennzahl bei der Risikoabschätzung und wird deshalb oft als erstes in Betracht gezogen.

Der Nachteil bei der Verwendung des Verschuldungsgrades ist die durchaus eingeschränkte Abbildung der Unternehmensstruktur. Der Verschuldungsgrad spiegelt zum Beispiel zwar eine riskante Finanzstruktur, nicht aber zwangsläufig eine schlechte Finanzlage wider. Daher sollten diese Kennzahlen immer auch mit denen der Konkurrenz am Markt verglichen werden.