Die griechische Staatsschuldenkrise und der Grexit
Als „Grexit“ wird der Austritt Griechenlands aus der europäischen Währungsunion bezeichnet. Die Wortschöpfung setzt sich aus „Greek“ und „Exit“ beziehungsweise „Greek“, „Euro“ und „Exit“ zusammen und wurde 2011 erstmals von Ebrahim Rahbari geprägt. Da es keine Regularien für ein Ausscheiden aus der Eurozone gibt, wird der Grexit kontrovers diskutiert. Seit dem Regierungswechsel in Griechenland, der im Januar 2015 die linksgerichtete Syriza unter Alexis Tsipras an die Macht brachte, haben sowohl der Grexit als auch der „Graccident“, also der unfreiwillige Austritt, wieder an Brisanz gewonnen.
Grexit – Griechenland und die Währungsunion
Bereits seit 2009 ist die griechische Staatsschuldenkrise, die sich im Zuge der Banken- und Finanzkrise ab 2007 entwickelte, ein öffentlich diskutiertes Thema. Der als symptomatisch zu bezeichnende Zusammenbruch der US-amerikanischen Bank Lehman Brothers läutete eine bis dahin beispiellose Rettungsaktion für Banken ein. Die Staaten mussten für dieses Rettungspaket neue Staatsschulden aufnehmen, was die oft ohnehin defizitären Haushalte weiter belastete. Vor allem der griechische Staatshaushalt wies zu diesem Zeitpunkt bereits ein enormes Defizit auf. Die von den EU-Mitgliedsstaaten festgelegte Neuverschuldungsgrenze von drei Prozent des Brutto-Inlandprodukts wurde von Griechenland zwar bereits seit Jahren überschritten, für 2009 musste aber ein neuer Rekordwert von 15,4 Prozent festgestellt werden – es drohte ein Staatsbankrott. Im April 2010 beantragte die damalige PASOK-Regierung von Ministerpräsident Giorgos Andrea Papandreou erstmals EU-Hilfen, die an strikte Spar- und Konsolidierungsprogramme gebunden waren.
Exit-Plan für den Notfall
Als Folge der Schuldenkrise wurden von der sogenannten Troika aus Europäischer Zentralbank (EZB), Europäischer Kommission und Internationalem Währungsfonds (IWF) verschiedene Notfallstrategien erarbeitet, die sich erstmals mit einem Grexit befassten. Sollten die Sparmaßnahmen nämlich nicht greifen und das griechische Bankensystem kollabieren, wäre die Einführung einer griechischen Parallelwährung zum Euro einer der möglichen Auswege. Dieser teilweise Grexit würde dazu führen, dass Griechenland sowohl die Geldmenge als auch den Umtauschkurs zum Euro selbst bestimmen kann. Als Deckung für diese Währung wurden und werden verschiedene Modelle diskutiert – unter anderem steht der Vorschlag im Raum, das Staatsvermögen als Sondervermögen zu nutzen.
Die Troika-Maßnahmen und ihre Folgen
Die rigiden Sparmaßnahmen, die die Troika an die Hilfen für Griechenland gekoppelt hat, zeigten keinen Erfolg. Im Gegenteil, die Reduzierung der Löhne und Gehälter um fast 30 Prozent, die Kürzungen im Gesundheitswesen und Entlassungen im öffentlichen Dienst führten zu einer drastischen Erhöhung der Arbeitslosigkeit und einem Einbruch des Brutto-Inlandsprodukts. Da die EU ohnehin seit 2009 mit einer Rezession zu kämpfen hatte, verschärften die Troika-Maßnahmen die Situation in Griechenland zusätzlich. Eine massive Umschuldung im Jahr 2012, die zu einem Schuldenschnitt in Höhe von rund 105 Milliarden Euro führte, verschaffte dem Land nur einen kurzen Aufschub: Die Wirtschaftskraft schrumpfte stärker als die Schulden. Selbst die Streckung der Verbindlichkeiten aus einem durch neue Schulden finanzierten Rückkauf, die die EU-Finanzminister Ende 2012 initiierten, brachten keine Erleichterung – der Grexit steht nach wie vor im Raum.
Strukturelle Probleme wurden verschärft
Die im Januar 2015 gewählte griechische Regierung von Ministerpräsident Tsipras ist mit dem Vorhaben angetreten, auf der Grundlage einer Neuordnung der Schulden die Volkswirtschaft des Lands wieder wettbewerbsfähig zu machen. Dies ist aber nur mit Investitionen möglich, was den Restriktionen der Troika entgegensteht. Die Verhandlungen haben durch diese gegensätzlichen Positionen an Schärfe gewonnen, sodass der Grexit seit Anfang 2015 wieder wahrscheinlicher wurde. Kann Griechenland seine Schuldenrückzahlungen nicht bedienen, gilt der Austritt aus der Euro-Zone als eine der sicheren Folgen. Allerdings gibt es für einen Grexit keinerlei rechtliche Grundlage, da die Vereinbarungen zur Währungsunion das freiwillige Ausscheiden eines Mitgliedslands nicht vorsehen. Ebenso ist es unklar, ob ein Grexit auch automatisch das Ausscheiden aus der Europäischen Union mit sich bringen würde, die Meinungen dazu gehen weit auseinander.
Grexit – mögliche Auswirkungen
Es gibt unterschiedliche Theorien zu den Folgen eines Grexit: So geht der IWF davon aus, dass die neu einzuführende griechische Währung nicht an den Euro gekoppelt sein sollte, was allerdings zu einer Hyperinflation in Griechenland und in der Folge zu dramatischen Verwerfungen in der EU führen könnte. Andere Vorschläge sehen aus diesem Grund ein Zusammenspiel von Parallelwährung und Euro vor. In jedem Fall würde zumindest ein Teil der Schulden, die mit EU-Unterstützung von privaten Gläubigern auf die europäischen Staaten verlagert wurden, nicht mehr bedient werden. Die Kosten für einen Grexit sind demnach nicht abzusehen.
Originally posted 2015-06-02 11:00:10.