China – der neue Start-Up Hotspot

28.03.2018, 08:29 Uhr

Das Silicon Valley im Süden San Franciscos. Für alle Start-Up-Unternehmer ist es das gelobte Land, der Ort an dem man nur ist, wenn man es wirklich geschafft hat. In Fernost tritt langsam aber sicher ein ganzes Land aus dem Schatten dieses Valleys heraus, das die Start-Up-Szene der USA schon bald überflügeln könnte. Hotspots wie Hangzhou oder eben auch Peking sind bei uns als Start-Up Metropolen weitestgehend unbekannt, was vor allem daran liegt, dass China bisher hauptsächlich auf den eigenen Markt fokussiert ist. Die amerikanischen Start-Ups aus dem Silicon Valley orientieren sich im Gegensatz dazu global und sind längst zu Weltmarken geworden.

Allerdings gibt es auch im Reich der Mitte eine florierende Start-Up Szene, mit all den dazugehörenden Accelerator- und Inkubatorenzentren, die es am anderen Ende der Welt im Silicon Valley auch gibt. 66 Start-Ups haben letztes Jahr die magische Grenze einer Bewertung von einer Milliarde US-Dollar geknackt, 22 dieser sogenannten Unicorns kamen aus China. Mit 28 stellten die Vereinigten Staaten zwar noch sechs mehr dieser aufstrebenden Start-Ups, doch Prognosen besagen, dass China die USA in diesem Ranking als Vorreiter schon bald ablösen könnte. Deutschland brachte mit der Otto Bock Health Care im letzten Jahr nur ein Unicorn hervor, insgesamt gibt es vier Deutsche Start-Ups mit einer Bewertung von über einer Milliarde US-Dollar.

Keine Digitalisierung, im positiven Sinne

Die prächtige Entwicklung der chinesischen Start-Up Szene rührt vor allem daher, dass die jungen Unternehmen in China beste Grundvoraussetzungen vorfinden. Insbesondere hinsichtlich der Digitalisierung, ein Thema das hier in Deutschland immer wieder für Zündstoff sorgt, könnten die Bedingungen in China nicht besser sein. Der Prozess der Digitalisierung ist im Reich der Mitte nämlich gar nicht vorhanden, vielmehr ist die digitale Infrastruktur schon zu einem selbstverständlichen Teil des Alltags geworden. Das Internet und die rege Benutzung von Smartphones wurde beinahe schon in die Kultur mit aufgenommen, über den Grad der Einbindung von digitalen Produkten und Services gibt es, anders als in Deutschland, keinerlei Diskussionen. Eine der 1,4 Milliarden Chinesen benutzen regelmäßig das Internet, 95% davon vorzugsweise mit dem Smartphone. In Deutschland wird die Generation Smartphone deutlich geringer beziffert, aber immerhin schon mit 81%.

Das Unicorn der Unicorns

Ein Unternehmen, beziehungsweise eine App in China, ist wahrlich einzigartig auf der Welt. Die Messenger-App „WeChat“ des chinesischen Social-Media-Giganten Tencent, der kürzlich auch in die deutsche Online-Bank N26 investierte, wurde von einer einfachen Chat-App zu einem ständigen Wegbegleiter in allen Lebenslagen. Einfache Apps haben sich in China wegen der hohen Smartphone- und Internetnutzung zu komplexen Ökosystemen entwickelt. So verbinden sie die verschiedensten Aspekte des täglichen Lebens und werden zum ständigen Begleiter. WeChat war als reiner Messenger, einem Äquivalent etwa zu WhatsApp, gestartet, heute kann man Termine beim Arzt machen, sich ein Taxi bestellen und mit dem internen Bezahldienst „WeChat Pay“ sogar in Geschäften bezahlen. Kürzlich brach Tencent mit seiner App erst die Marke von einer Milliarde Benutzerkonten weltweit, diese liegen allerdings fast ausschließlich in China.

Konkurrenten wie der Facebook Messenger oder das eben genannte WhatsApp können zwar höhere Zahlen vorweisen, haben aber auch einen klar internationalen Fokus, während sich WeChat beinahe ausschließlich auf das chinesische Kerngeschäft fokussiert. Die meisten Funktionen der auf Mandarin basierenden App sind im Ausland, wenn überhaupt, nur eingeschränkt nutzbar. Dennoch ist WeChat, auch wenn es nur in China nutzbar ist, der Prototyp der Social Media App der Zukunft und somit eins der chinesischen Vorzeige-Unicorns.

Staatliche Förderung, häufig kostenlos

Dass sich Apps wie WeChat so beispiellos entwickeln konnten liegt unter anderem an der Start-Up freundlichen Politik der chinesischen Regierung. Die möchte nämlich, dass China in der Welt als innovativ angesehen wird, während man den letzten Jahren häufig den Status als „Copycat“ aufgedrückt bekam, also einem Land, das gute Ideen aus dem Ausland schlicht reproduziert. Daher hat die Regierung einen fünf-Jahres-Plan entwickelt, um das Unternehmertum zu fördern und den Mittelstand zu stärken. Um dieses Ziel zu realisieren wurden staatlich geschützte und finanzierte Inkubatoren, wie beispielsweise „Dream Town“ in Hangzhou, ins Leben gerufen, die digitale Innovationen und neuartige Geschäftsmodelle fördern sollen. In hochmodernen Einrichtungen werden den Gründern Büroräume und Beratungen angeboten, darüber hinaus erhalten sie kostenlose administrative Unterstützung. Das Ziel dieser Inkubatoren ist, dass sich die Gründer voll und ganz auf die Entwicklung des Unternehmens und ihre eigentliche Idee fokussieren können. Die Finanzierung des Ganzen erfolgt durch staatliche Institutionen und private Investoren. Das System scheint zu funktionieren: Rund 7.500 Inkubatoren und Makerspaces haben bislang etwa 220.000 kleine und mittelgroße Unternehmen hervorgebracht. Aber nicht nur die eigentlichen Gründer sollen von der chinesischen Regierung unterstützt werden, auch an den Universitäten wollen die verantwortlichen Politiker in die Offensive gehen. Studenten, die neben dem Studium ein Unternehmen gründen, sollen schon ab September dieses Jahres bessere Noten in ihren Prüfungen erhalten. Ab dann soll es auch leichter werden, sich eine Auszeit vom Studium zu nehmen, um sich in der Zwischenzeit voll und ganz auf das gegründete Unternehmen zu konzentrieren.

China schottet sich vor dem Ausland ab

Ein Vorteil für die in China gegründeten Unternehmen ist tatsächlich die chinesische Abschottung gegenüber dem Ausland. Im Vergleich zu den USA oder Deutschland gibt es in China enorm große rechtliche Unterschiede und schwierige Rahmenbedingungen, durch die es für die ausländischen Unternehmen kompliziert wird, sich in China zu etablieren. Eins der größten Probleme ist unter anderem die große Firewall aus staatlicher Überwachung und der Zensur verschiedener Inhalte, wodurch es selbst für globale Giganten wie Google und Facebook unmöglich wird sich in China zu behaupten. Diese Probleme der Wettbewerber aus dem Ausland kommt also den chinesischen Start-Ups zu Gute, die nicht nur weniger Konkurrenz und keine rechtlichen Schwierigkeiten haben, sondern ganz im Gegenteil dazu sogar die Unterstützung des Staates genießen. So sind BATX-Unternehmen als Äquivalente zu den westlichen GAFA-Firmen entstanden, beispielsweise Baidu als chinesisches Google, Alibaba als Gegenstück zu Amazon, Tencent als Social Media Gigant im Stile von Facebook und sogar zum amerikanischen Handyriesen Apple gibt es ein chinesisches Pendant namens Xiaomi.

Eine Mauer zwischen zwei Welten

Zwischen den chinesischen und amerikanischen Unternehmen, beziehungsweise den beiden Start-Up-Welten, hat sich so eine Mauer aus bürokratischen und rechtlichen Hürden aufgebaut, die wahrscheinlich nur von den größten Start-Ups erklommen werden kann. Auf dem fruchtbaren Nährboden auf der fernöstlichen Seite der Mauer wachsen allerdings immer mehr Start-Ups heran, die hinsichtlich ihrer Größe und Innovation nach und nach in die spannenden Märkte nach Amerika und Europa expandieren könnten. In die andere Richtung scheint der Weg für die westlichen Start-Ups aber nach wie vor extrem steinig und nahezu unüberwindbar. Im Silicon Valley und vor allem in Europa kann man nur zusehen, dass man seinen Gründern lieber früher als später ähnliche Bedingungen wie die in den Hotspots von Hangzhou und Peking bietet, denn für das Wachstum der nächsten Jahre wird nicht entscheidend sein ob jetzt die Amerikaner, Europäer oder Chinesen innovativer sind, sondern welche Gründer die besten Voraussetzungen vorfinden um ihr Unternehmen groß zu machen.


auxmoney Banner