Steueroasen – mehr als nur Offshore-Plätze
Was so harmlos mit dem Begriff „Steueroasen“ umschrieben wird, bedroht den fairen Wettbewerb im globalen Maßstab: Einige Länder bieten vermögenden Privatpersonen und Unternehmen äußerst niedrige Steuersätze, verdienen daran und lenken so geschickt die Kapitalströme. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) versucht die zahlreichen Steueroasen effektiv auszutrocknen, doch diese Bestrebungen zeigen nur sehr zögerlich Wirkung. Allerdings sind diese Bemühungen durchaus kritisch zu betrachten, denn es gibt auch in einigen OECD-Staaten Sonderregelungen, wodurch sie unter dem Strich als Steueroasen fungieren.
Das Prinzip der Steueroasen
Steueroasen zeichnen sich unter anderem durch ein Steuersystem aus, das Einkommen und Vermögen in einem sehr niedrigen Maß belastet. Darüber hinaus eröffnen die gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht nur viel Flexibilität, sondern vor allem Diskretion. Unternehmen können ebenso wie Privatpersonen Tochtergesellschaften, Holdings oder Stiftungen in diesen Steueroasen gründen, ohne selbst vor Ort ansässig zu sein. Besagte Länder geben sich damit zufrieden, dass pro Forma Direktoren bestellt werden, die vor Ort als Ansprechpartner fungieren. Aus diesem Prinzip hat sich eine ganze Wirtschaft entwickelt: An einem Unternehmenssitz finden sich zahlreiche Briefkastenfirmen, die von spezialisierten Unternehmensberatungen gemanagt werden. Da nur geringe Formalitäten zu erledigen sind, müssen in vielen Steueroasen nicht einmal die Gesellschafter ins Handelsregister eingetragen oder Auskünfte erteilt werden.
Das lukrative Geschäftsmodell mit den Offshore-Finanzplätzen
Die Banken an den Offshore-Finanzplätzen bieten maßgeschneiderte Strukturen an, die die Vorteile der lockeren Finanzaufsicht, das komfortable Gesellschaftsrecht sowie das strikte Steuer- und Bankgeheimnis geschickt ausnutzen. Mit komplizierten Konstrukten lassen sich die Besitzverhältnisse effektiv verschleiern. Gleichzeitig wird die Steuerlast drastisch reduziert, da in Offshore-Steueroasen teilweise gar keine oder nur sehr geringe Steuern erhoben werden. So ist es auch für multinational agierende Unternehmen möglich, Finanzierungsgesellschaften in diesen Steuerparadiesen zur Verwaltung der Gewinne zu nutzen. Das lässt sich beispielsweise in Form von Lizenzrechten realisieren. Auf der anderen Seite werden die Kosten in den Hochsteuerländern geltend gemacht.
Schweiz, Monaco & Co. – die klassischen Steueroasen
Die Schweiz gilt beispielsweise bereits seit dem 19. Jahrhundert als sicherer Platz für Kapital, das am Fiskus des Heimatlandes vorbeigeschleust werden soll. Einerseits konnte sie mit dem strengen Bankgeheimnis für Nachfrage sorgen, andererseits waren die Steuersätze im Vergleich zum europäischen Ausland und insbesondere Deutschland sehr niedrig – das sind sie selbst heute noch. Aber auch andere Staaten und unabhängige Regionen fungieren als Regulierungs- und Steueroasen, aktuell bewegt sich die Anzahl zwischen 40 und 72 weltweit. Dabei ist zwischen den klassischen Offshore-Standorten im geografischen Sinne und den spezifischen Rechtsnormen, die innerhalb von Staaten besondere Vorteile bieten, zu unterscheiden.
Steuertricks sind trotz OECD-Bemühungen beliebt
Die gängigen Beispiele von der Britischen Jungferninsel, Mauritius oder Panama haben längst europäische Konkurrenz bekommen – es sei hier an Liechtenstein, Luxemburg oder die Niederlande erinnert. Hier konnten Unternehmen individuelle Vereinbarungen zur Höhe der Steuer treffen, eines der bekanntesten Beispiele ist die Kaffeehauskette Starbucks. Mithilfe eines ausgeklügelten Systems von Tochtergesellschaften sparte das Unternehmen von 2008 bis 2015 zwischen 20 und 30 Millionen Euro an Steuern ein – das schätzte zumindest die EU-Kommission, die gegen diese Steuervermeidung immer konsequenter vorgeht. Ein anderes Beispiel ist Facebook: Nicht umsonst verlagerte das in Kalifornien ansässige Unternehmen im Jahr 2010 einen großen Teil seiner Geschäfte nach Irland. Die US-amerikanische Bundessteuerbehörde IRS befasst sich bereits seit dem Jahr 1913 mit der Untersuchung von Steuerstrafsachen, allerdings eröffnen sich auch in den USA für Unternehmen durchaus interessante Steueroasen.
Steuervorteile für ausländische Investoren – moderne Steueroasen
Der US-Bundesstaat Delaware, aber auch die Niederlande führen die Regionen an, die die Ansiedlung ausländischer Gesellschaften mit niedrigen Steuersätzen belohnen. Reale ökonomische Aktivitäten vor Ort sind dafür allerdings nicht vorgesehen. Diese Möglichkeit nutzen vor allem Hedgefonds aus, rund die Hälfte dieser wenig regulierten Anlageinstrumente hat sich in den Offshore-Gebieten der Karibik, aber ein Viertel im US-Bundesstaat Delaware angesiedelt. Ausschlaggebend dafür war nicht nur die Steuersituation, sondern vor allem die geringe Regulierung. So ist es nicht verwunderlich, dass sich neben den USA vor allem Großbritannien gegen die Regulierung von Hedgefonds ausspricht. Die karibischen Offshore-Standorte gehören schließlich zu den britischen Überseegebieten. Abzuwarten bleibt es, wie sich der automatische Informationsaustausch, dem sich bereits mehr als 60 Staaten angeschlossen haben, auswirken wird. Dieser rege Fluss von Steuerinformationen soll den jeweiligen Finanzbehörden den Zugriff auf die relevanten Daten ermöglichen, um Steuergerechtigkeit herzustellen. Wird dieses Vorhaben konsequent umgesetzt, könnte es den Steueroasen künftig schwer fallen, ihr Geschäftsmodell weiterhin aufrecht zu erhalten.
Originally posted 2017-01-25 11:00:45.