Ratingagenturen und ihre Geschichte
Als private Unternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht schätzen Ratingagenturen die Bonität von Unternehmen oder Banken, aber auch von Gebietskörperschaften oder Staaten ein. Die Ergebnisse werden in bestimmten Codes dargestellt, die zwar zunächst nur eine Rangfolge beschreiben, aber auch Prognosen zu Kreditausfällen oder zur Widerstandsfähigkeit in Bezug auf Konjunkturschwankungen ermöglichen. In der Regel unterliegt jede Ratingagentur staatlicher Aufsicht. Bereits 1868 veröffentlichte Henry Varnum Poor den ersten Versuch eines Ratings für Anleger der Eisenbahngesellschaften. Erst ab 1909 wurde das Rating für die US-amerikanischen Eisenbahngesellschaften systematisch durchgeführt – von der von John Moody gegründeten Agentur Moody´s. Die US-Bankenaufsicht schrieb im Jahr 1936 die Nutzung externer Ratings für eine ganze Reihe von Bankgeschäften fest, 1975 wurde die Position der Ratingagenturen weiter gestärkt: Die US-Börsenaufsicht ordnete an, dass Unternehmen sich zunächst einer Begutachtung durch die Ratingagenturen unterziehen müssen, um für den Kapitalmarkt zugelassen zu werden. In Europa startete die Deutsche Bank im Jahr 1988 eine Initiative für eine europäische Agentur, allerdings scheiterten alle Versuche aufgrund der starken, etablierten US-Ratingagenturen. Erst 2006 konnten sich Creditreform Rating für ausgewählte Marktsegmente und 2010 Euler Hermes als europäisch anerkannte Agentur etablieren.
Dominanz der US-Ratingagenturen
Derzeit sind durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) folgende Ratingagenturen anerkannt:
- Creditreform Rating AG, Neuss
- Dominion Bond Rating Service (DBRS), Toronto
- Fitch Ratings, New York
- Japan Credit Rating Agency Ltd, Tokio
- Scope Ratings GmbH, Berlin
- Standard & Poor’s Ratings Services, New York
- Moody’s Investors Service, New York
Darüber hinaus entwickeln sich einige weitere Ratingagenturen, wie zum Beispiel die chinesische Dagong Global Credit, die sich als Alternative zu den dominanten drei „Big Playern“ aus den USA versteht, die rund 97 Prozent des Markts beherrschen.
Das Rating – die Arbeit der Agenturen
Ein Auftrag zur Bewertung von Akteuren am Markt kann sowohl von einem Kreditnehmer oder Emittenten als auch von Seiten der Investoren oder Kreditgeber erteilt werden. Gegenstand ist die Bewertung der Bonität auf der Grundlage der öffentlich zugänglichen Daten und der unternehmensinternen Unterlagen. Dazu zählen beispielsweise die Informationen zu den wichtigsten Kundenbeziehungen und Lieferanten, zur Finanzplanung, den Ertrags- und Kostenstrukturen sowie zur aktuellen Wettbewerbssituation. Auf dieser Grundlage analysieren die Ratingagenturen die qualitativen und quantitativen Faktoren, um von jeweils zwei Partnern eine Empfehlung erstellen zu lassen. Über diese wird im Rating-Komitee beschieden. Das Ergebnis wird zunächst dem Auftraggeber und dann der Öffentlichkeit vorgelegt. Mit einem jährlichen Update wird sichergestellt, dass alle Entwicklungen in Wirtschaft und Politik permanent in die Einschätzung eingearbeitet sind und das Urteil zur Kreditwürdigkeit so jederzeit aktuell bleibt.
Die Ratingagenturen und Ihre Stufen
Bei allen Abweichungen in den Buchstabenkombinationen, die zur Beurteilung der Bonität von den einzelnen Ratingagenturen genutzt werden, lassen sich doch folgende Stufen festhalten:
- A – von AAA bis Aa3, AA- oder AAlow: sichere Anlage
- B – von BBB bis B3, B- oder Blow: von durchschnittlich gut bis hoch spekulativ
- C – von Caa1 bis C: Ausfallwahrscheinlichkeit steigt
- D – von C bis D: Zahlungsausfall
Diese Einschätzungen gelten für Long-Term-Anlagen, also langfristig ausgerichteten Investitionen, als Ergänzung sollten die Short-Term-Bewertungen hinzugezogen werden. Die teilweise verwirrenden Kombinationen sind den oft komplexen Beurteilungen geschuldet, die in der Vergangenheit immer wieder zu Skandalen geführt haben. Ein prägnantes Beispiel ist die Finanzkrise 2008, als die in neu kreierten Wertpapieren zusammengefassten US-amerikanischen Immobilienkredite mit Triple A bewertet wurden. Schon der Anstieg der Zinsen und der Preisrückgang bei den Immobilien reichten aus, um zahlreiche Hypotheken platzen zu lassen – die Insolvenz der Bank Lehman Brothers im Jahr 2008 gilt seither als Höhepunkt dieser Krise.
Kritik an den Ratingagenturen
Ein wesentlicher Kritikpunkt ist die Tatsache, dass die Agenturen von den sie beauftragenden Unternehmen bezahlt werden, deren Produkte sie einschätzen sollen. Im Zuge der Finanzkrise 2008 sind die Diskussionen um die Ratingagenturen auf höchster Ebene aufgeflammt. Die teilweise unrealistischen Ratings signalisierten aber auch in anderen Fällen einen falschen Anreiz, die Glaubwürdigkeit der Bewertungen wurde stark beeinträchtigt. Ein weiteres signifikantes Beispiel ist die Rolle der Ratingagenturen bei der Staatsschuldenkrise in Griechenland. Darüber hinaus stehen die Bewertungsverfahren der einzelnen Agenturen, die ihre Ratingansätze nicht bekannt geben, ebenso in der Kritik wie ihre enge Kapitalverflechtung mit den großen Finanzmarktakteuren. Eine objektive Einschätzung ist von den US-amerikanischen „Big Three“ daher – zumindest nach Ansicht vieler Finanzexperten – nicht zu erwarten.
Originally posted 2015-08-25 12:03:58.