Mario Draghi: EZB-Notlösung oder „Super Mario“?
Als promovierter Wirtschaftswissenschaftler hat der am 3. September 1947 in Rom geborene Mario Draghi bisher eine beachtliche Karriere absolviert, die ihn bis an die Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) brachte. Im November 2011 wurde er Präsident der Europäischen Zentralbank. In seiner Amtszeit stand der EZB Präsident, der auch zu unkonventionellen Maßnahmen greift und in Krisen bereit ist, alles zu tun, häufig im Kreuzfeuer vielfältiger Kritik. Vor allem die Folgen der Senkung des Leitzinses auf 0 % werden kontrovers diskutiert.
Die berufliche Entwicklung von Mario Draghi
Seine schulische Laufbahn absolvierte Mario Draghi am Instituto Massimo in Rom, einer von Jesuiten geführten katholischen Privatschule. Im Anschluss belegte er Wirtschaftswissenschaften an der römischen Universität La Sapienza, um in der Folge am Massachusetts Institut of Technology (MIT) weitere Lehrveranstaltungen zu besuchen, u. a. bei Franco Modigliani oder Paul A. Samuelson, die beide Wirtschaftsnobelpreisträger sind, aber auch bei den international renommierten Ökonomen Stanley Fischer und Rüdiger Dornbusch. Seine Promotion zum Ph. D. erhielt er 1976 am MIT in Cambridge. Mehrere Professuren für Wirtschaftswissenschaften, beispielsweise an den Universitäten von Trient, Padua, Venedig und Florenz, prägten die Jahre von 1975 bis 1991. Gleichzeitig fungierte er von 1984 bis 1990 als Exekutivdirektor bei der Weltbank.
Mario Draghi auf dem Weg zur Währungspolitik
Von 1991 bis 2001 arbeitete Mario Draghi als Generaldirektor im italienischen Finanzministerium, um im Anschluss an die Harvard University zu wechseln. Schon 2002 folgte er dem Ruf der Finanzwirtschaft und übernahm als Vice Chairman und Managing Director Verantwortung bei der US-Investmentbank Goldman Sachs International in London. Als die italienische Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen den damaligen Präsidenten der Banca d’Italia aufnahm, wurde Mario Draghi zu deren Gouverneur ernannt und übte diese Funktion von 2006 bis 2011 aus. Mit dieser Funktion des italienischen Zentralbankchefs war er automatisch Mitglied des Rates der EZB. Darüber hinaus übte er einige Aufsichtsratsposten aus und leitete das Forum für Finanzstabilität, das seit 2009 die Bezeichnung Financial Stability Board (FSB) trägt.
Der Sprung an die Spitze der EZB
Als sich die Amtszeit des damaligen EZB Präsidenten Jean-Claude Trichet 2011 ihrem Ende zuneigte, galt zunächst der Bundesbankpräsident Axel Weber als wahrscheinlicher Nachfolger – bis dieser seinerseits sein Amt niederlegte und aus dem Rennen ausschied. Mario Draghi wurde in der Folge vom Rat der EU vorgeschlagen und vom Europäischen Rat ernannt, sodass er am 1. November 2011 seine Arbeit als EZB Präsident aufnehmen konnte – und das vor dem Hintergrund der Eurokrise, die kurz darauf ihren Höhepunkt erreichen sollte. Schon als Chef der Notenbank Italiens hatte er die Politik seines Landes immer wieder in die Verantwortung genommen, stärker für Stabilität und Wachstum zu sorgen. Damit war sein Kurs für die EZB von Anfang an klar, nämlich im Rahmen der Geldpolitik alles Mögliche zu unternehmen, um die Stabilisierung der Währung und der Preise zu bewirken.
Mario Draghi und die Finanzmärkte
Seine angelsächsische Prägung machte sich sehr schnell bemerkbar, als er im Sommer 2012 für den sogenannten „Draghi-Effekt“ sorgte: Seine Ankündigung, „alles Notwendige“ zu tun, um die Gemeinschaftswährung zu retten, sorgte für eine schnelle Beruhigung der internationalen Finanzmärkte. Diese Rede von Mario Draghi stellte angesichts der überbordenden Renditenaufschläge, die einige der massiv in der Krise steckenden Euroländer auf eigene Bonds zahlen mussten, und des bedrohlich ins Wanken gekommenen Bankensystems zunächst einen Wendepunkt dar. Die Ankündigung eines Aufkaufprogramms für Staats- und Unternehmensanleihen, wie es beispielsweise seit Jahre von der FED praktiziert wird, glättete zwar die Wogen, konnte aber über die strukturellen Probleme nicht hinwegtäuschen. Zwischenzeitlich lässt sich konstatieren, dass die von Mario Draghi eingesetzten Instrumente kaum Wirkung zeigten, sowohl die Inflationsrate als auch die Wachstumsquoten liegen weit hinter den Erwartungen zurück.
Mario Draghi im Zentrum der Kritik
Die enge Verknüpfung von Goldman Sachs und Politik steht seit jeher im Fokus vielfältiger Kritik, denn eine ganze Reihe ehemaliger Top-Manager der Investmentbank erreichten einflussreiche politische Positionen. Die Weigerung der EZB, Einblick in relevante Dokumente zu geben, trägt nicht zur Entkräftung dieser Zweifel bei. Allerdings sind die aktuellen Herausforderungen für die EZB enorm, wie die faktische Abschaffung der Zinsen zeigt: Sowohl Sparprodukte als auch die gesamte Altersversorgung sind gefährdet, um die Kreditvergabe und damit die Investitionen anzukurbeln – bislang ohne jeden Erfolg. Ob Mario Draghi zum sogenannten Helikoptergeld, also der direkten Ausschüttung von Geld an die Bevölkerung, greift, bleibt abzuwarten.
Originally posted 2016-07-13 10:00:42.