Jens Weidmann – die Stimme der Vernunft
Als promovierter Volkswirt schrieb der am 20. April 1968 in Solingen geborene Jens Weidmann im Jahr 2011 Geschichte: Am 1. November 2011 trat er als bis dahin jüngster Präsident der Deutschen Bundesbank sein Amt an. Seither bringt sich Dr. Jens Weidmann regelmäßig mit konstruktiver Kritik in die Politik der Europäischen Zentralbank (EZB), in deren Rat er als Bundesbankpräsident Mitglied ist, ein.
Der berufliche Werdegang von Jens Weidmann
Nach seinem Abitur, das Jens Weidmann 1987 am Gymnasium in Backnang ablegte, absolvierte er sein Studium der Volkswirtschaftslehre an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Mit verschiedenen Praktika, beispielsweise im deutschen Wirtschaftsministerium, aber auch in der Banque de France oder der Zentralbank von Ruanda, sammelte er bereits einschlägige Erfahrungen. Als weiterer Richtungsgeber kann seine Promotion angesehen werden, die er 1993 bei Roland Vaubel, einem renommierten Mannheimer Ökonomen, begann. Diese unterbrach er 1994 kurzzeitig, kehrte dann aber bereits ein Jahr später zur Fortsetzung an die Universität Bonn zurück. Gemeinsam mit dem Geldtheoretiker Manfred J. M. Neumann brachte er sie im Jahr 1997 erfolgreich zum Abschluss. Er ist damit Dr. rer. pol. – Doktor der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Beachtenswert: Als Zweitgutachter trat kein Geringerer als Axel A. Weber auf, der damals als Professor in Bonn arbeitete und später Bundesbankpräsident werden sollte.
Der erfolgreiche Einstieg in die Geldpolitik
Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass Jens Weidmann von 1997 bis 1999 seinen beruflichen Werdegang beim Internationalen Währungsfonds (IWF) begann. In der Folge wurde er zum Generalsekretär des Sachverständigenrates zu Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ernannt. Diesem Rat gehörte ab 2002 auch Axel A. Weber an, der wiederum im Jahr 2004 sein Amt als Präsident der Bundesbank antrat. Für seine Abteilung für Geldpolitik und monetäre Analyse in der Bundesbank erkor Weber sich Jens Weidmann, der schnell zum stellvertretenden Zentralbereichsleiter Volkswirtschaft aufsteigen konnte. Die Politik war auf Dr. Jens Weidmann aufmerksam geworden: Bundeskanzlerin Angela Merkel berief ihn im Jahr 2006 zum Leiter der Abteilung Wirtschafts- und Finanzpolitik im Bundeskanzleramt. Dort stand er in der Verantwortung für die strategische und inhaltliche Vorbereitung der G20-Runden und wurde darüber hinaus 2009 mit der Funktion des G8-Chefunterhändlers betraut.
Jens Weidmann – Bundesbank als vorläufiger Höhepunkt
Der als unprätentiös geltende Jens Weidmann avancierte zum wichtigsten Wirtschaftsberater der Bundeskanzlerin, die ihn schließlich im Februar 2011 als Nachfolger des Bundesbankpräsidenten Axel Weber vorstellte. Am 29. April des Jahres übergab der damalige Bundespräsident Christian Wulff die Ernennungsurkunde. Der Amtsantritt erfolgte am 1. November 2011, was Jens Weidmann zum Anlass nahm, seine klare Position in Bezug auf eine strikte Trennung von Geld- und Fiskalpolitik zum Ausdruck zu bringen. Er hatte sich auch zuvor nicht mit Kritik zurückgehalten: Einerseits prangerte er den Aufkauf von Staatsanleihen durch den EU-Rettungsfonds an, andererseits distanzierte er sich von den geldpolitischen Maßnahmen der EZB, die in der Krise enorme Bilanzrisiken eingegangen war, um die Märkte zu beruhigen. Er betonte deutlich, dass die deutschen Steuerzahler mit 27 % einen erheblichen Haftungsanteil für diese Risiken zu tragen hätten.
Vom stillen Krisenmanager zum standhaften Kritiker
Hat Jens Weidmann vor seinem Amtsantritt als Bundesbankpräsident eher im Hintergrund gewirkt, nutzt er seine Position seither, um immer wieder auf die wachsenden Risiken der EZB-Politik hinzuweisen. Seine Rede vor dem Haushaltsausschuss des Bundestages erregte Aufmerksamkeit, da sich Jens Weidmann gegen die Aufstockung des EFSF-Garantie-Rahmens auf 780 Milliarden Euro aussprach. Ebenso kritisch setzte er sich mit den Target-2-Salden in Höhe von rund 800 Milliarden Euro, deren Besicherung für die nationalen EU-Notenbanken nach einem Beschluss des EZB-Rates sukzessive erleichtert worden waren, auseinander. Auch im EZB-Rat machte Jens Weidmann keinen Hehl aus seiner abweichenden Meinung. Beispielsweise votierte er im Jahr 2012 als Einziger gegen den Beschluss, bei Bedarf Staatsanleihen der Mitgliedsstaaten aufkaufen zu wollen. Zuvor hatte der deutsche Finanzminister Weidmanns Forderung nach einer öffentlichen Debatte zu diesen einer Staatsfinanzierung sehr nahe kommenden Maßnahmen abgelehnt.
Konstruktiv und zukunftsorientiert
Weidmann hat sich längst einen Namen als konstruktiver Kritiker gemacht, der insbesondere mit der lockeren Geldpolitik von Mario Draghi hart ins Gericht geht – und das nicht ohne Grund. Sämtliche Maßnahmen haben bislang kaum Wirkung gezeigt, die Risiken allerdings drastisch erhöht. Gleichzeitig spricht sich Jens Weidmann für die Schaffung eines gemeinsamen EU-Finanzministeriums aus, um das Vertrauen in die Währungsunion wiederherstellen zu können.
Originally posted 2016-07-27 10:00:06.