Was bedeutet „Grauer Kapitalmarkt“?
Der Graue Kapitalmarkt ist ein vielgestaltiges und besonders innovatives Segment des Finanzmarktes. Eine einheitliche und von ausschließlich sachlichen Kriterien geprägte Definition für den Begriff des Grauen Kapitalmarkts existiert nicht. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird „Grauer Kapitalmarkt“ oft mit undurchsichtigen Transaktionen, unüberschaubaren Risiken für Anleger und jährlichen Milliardenschäden in Verbindung gebracht. Bei einigen Begriffsbestimmungen scheinen die Grenzen zwischen dem legalen Grauen und dem illegalen Schwarzen Kapitalmarkt zu verschwimmen. So stellt das Bundeskriminalamt das Marktsegment Grauer Kapitalmarkt ausdrücklich in einen unmittelbaren Zusammenhang mit erhöhter Anlage- und Finanzkriminalität. Dagegen weist die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) als zuständige Aufsichtsbehörde darauf hin, dass es sich beim Grauen Kapitalmarkt um einen legalen Bestandteil des Finanzmarktes handele. Das Produktsegment von einem Grauen Kapitalmarkt verkörpere keinen regulatorischen Missstand, sondern sei Ausdruck der privatwirtschaftlichen Prinzipien von Privatautonomie und Gewerbefreiheit. Somit stelle ein erlaubnisfreier, ungeregelter Grauer Kapitalmarkt einen typischen „Normalfall unserer Wirtschaftsordnung“ dar. In Abgrenzung zum Produktbereich des Grauen Kapitalmarkts zeichnet sich der Weiße Kapitalmarkt nach der Definition der BaFin durch Anlageprodukte aus, deren Vertrieb unter einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt steht. Zwischen BaFin und Produktanbietern ist allerdings häufig umstritten, ob ein Anlageprodukt zum erlaubnisfreien Graumarkt oder wegen Verstoßes gegen die Erlaubnispflicht zum Schwarzen Markt gehört. Falls ein Produktanbieter rechtsmissbräuchlich eine Umgehungskonstruktion gewählt hat, um einem Erlaubnisvorbehalt auszuweichen, zählt das Produkt zum illegalen Schwarzen Kapitalmarkt. Ziel der BaFin ist nicht die Bekämpfung des Graumarktes. Die Aufsichtsbehörde will vielmehr den kollektiven Verbraucherschutz verbessern, um das Anlegervertrauen in die Finanzmärkte zu stärken und damit die Integrität, Stabilität und Funktionsfähigkeit des Finanzplatzes Deutschland zu schützen. Die BaFin möchte Rahmenbedingungen schaffen, die den einzelnen Kapitalanlegern auf der Basis ausreichender Produktinformationen risikobewusste und an den individuellen Anlagezielen orientierte Investitionsentscheidungen ermöglichen. Jeder Anleger habe die Freiheit zur Auswahl von grauen Kapitalanlagen, trage aber ebenso die Verantwortung für seine auf fachlich fundierter Grundlage getroffenen Anlageentscheidungen. Um Verbrauchern eine solche Entscheidungsgrundlage für ihre Finanzen zu bieten, trat 2012 das Graumarktgesetz in Kraft.
Grauer Kapitalmarkt: Welche Produkte zur Geldanlage gehören dazu?
Je nach Definition des Begriffs „Grauer Kapitalmarkt“ werden zu diesem Finanzmarktsegment unterschiedlichste Anlageprodukte gezählt. Eine klare Abgrenzung der „Grauer-Kapitalmarkt“-Produkte existiert auch wegen einer kontinuierlichen Neuentwicklung von Finanzprodukten nicht. Nach Auffassung der BaFin besteht eine Gemeinsamkeit aller „Grauer Kapitalmarkt“-Produkte darin, dass es sich (wie beispielsweise bei Genussrechten) um nicht in Wertpapieren verbriefte Risikokapitalanlagen handele. Als „Grauer Kapitalmarkt“-Produkte gelten daher:
- Kapitalanlagen mit unternehmerischem Risiko, ohne dass der Anleger einen Gesellschafter-Status erhält (z. B. Genussscheine).
- Kapitalanlagen, bei denen die Steuerersparnis im Vordergrund steht.
- Immobilienbeteiligungen (insbesondere fremdgenutzte Immobilien, Erwerbermodelle und Bauherrenmodelle).
Nach anderen Definitionen gehören auch folgende Anlageformen zur Sparte Grauer Kapitalmarkt:
- Schiffsbeteiligungen
- geschlossene Fonds
- nicht börsennotierte Aktien
- Termingeschäfte
- als Kapitalanlage erhältliche Diamanten
Oft wird auf überdurchschnittliche Verlustrisiken hingewiesen und angemerkt, dass bei „Grauer Kapitalmarkt“-Produkten ein „Totalverlust des eingesetzten Geldes nichts Ungewöhnliches“ sei. Bei Immobilienanlagen seien die Kaufpreise häufig aufgebläht, bei Termingeschäften werde mit nur ausnahmsweise erreichbaren Gewinnen gelockt und wertlose Steine würden zuweilen als Edelsteine teuer verkauft. Andere Begriffsbestimmungen unterstreichen hingegen auch den volkswirtschaftlichen Nutzen des Grauen Kapitalmarkts. Sie berücksichtigen als „Grauer Kapitalmarkt“-Segmente auch:
- Kapitalanlagen, die der Finanzierung der Energiewende dienen
- Gründungsfinanzierungen für innovative Start-up-Unternehmen
- langfristige Finanzierungen solider kleiner und mittelständischer Unternehmen
Eine Gemeinsamkeit von Graumarkt-Produkten besteht allerdings darin, dass es sich bei diesen Anlageformen zumeist nicht um in Wertpapieren verbriefte Risikokapitalanlagen handelt. Die häufig vertriebenen Genussrechte stehen als Produkte des Grauen Kapitalmarkts unter besonderer Beobachtung. Bei Genussrechten handelt es sich nach der Definition des Bundesgerichtshofs um Dauerschuldverhältnisse, die keine gesellschaftsrechtlichen Mitgliedschaftsrechte begründen, sondern sich in einem geldwerten Anspruch des Genussrechtsinhabers erschöpfen. Wegen der fehlenden Gesellschafterstellung besitzen Genussrechtsinhaber keine Informations- und Kontrollrechte (§ 233 HGB) gegenüber dem emittierenden Unternehmen. Ein typisches Merkmal von Genussrechten ist die gesellschafterähnliche Stellung des Kapitalanlegers, die mit einem erhöhten Risiko verbunden ist. Regelmäßig wird eine Beteiligung an Unternehmensverlusten sowie ein Rangrücktritt im Insolvenz- und Liquidationsfall vereinbart. Deshalb handelt es ist bei Genussrechten stets um Kapitalanlagen mit einem erhöhten (unternehmerischen) Risiko.
Gründe für die Entwicklung von Graumarkt-Produkten
Kleine und mittlere Anbieter entwickeln Graumarkt-Produkte, um die mit der Beaufsichtigung von Produkten des Weißen Kapitalmarktes verbundenen Kosten zu vermeiden. Daneben existieren aber auch rechtsmissbräuchliche Geschäftsmodelle, bei denen Anbieter die Prospektpflicht umgehen, um an das Geld unerfahrener Kleinanleger zu gelangen. Diese Anbieter streben oft die Umwidmung vergleichsweise sicherer klassischer Kapitalanlagen (wie die Rückkaufswerte von Kapitallebensversicherungen) in Graumarkt-Produkte an.
Graumarktgesetz
Das Bundesministerium der Finanzen erließ 2012 das sogenannte „Graumarktgesetz“. Dieses soll Verbraucher in ihren Rechten gegenüber Anbietern von grauen Finanzprodukten stärken und zur Regulierung vom Grauen Markt dienen. So kann bei jedem Anbieter ein durch die BaFin geprüftes Prospekt angefordert werden, welches zur Beurteilung der Anlage dient. Hierin sind beispielsweise Angaben zum Risiko der Anlage und der Zuverlässigkeit des Emittenten erhalten. Zudem verpflichtet das Graumarktgesetz Anbieter zur Erstellung eines Jahresabschlusses.
Originally posted 2014-11-24 13:37:40.